Schluss mit lustig! Warum der Werbung der Humor abhanden kommt
Jaja, früher war alles besser! Als mein Großvater seine Sätze mit „Früher…“ begann, habe ich nur genervt die Augen verdreht. Der alte Mann sollte mir nicht erzählen, was richtig und was falsch war! Außerdem hatte die Vokabel „früher“ aus seinem Mund und in meinen Ohren eine unerträgliche Ähnlichkeit mit „Führer“. Mittlerweile jedoch erwische ich mich selbst hin und wieder dabei, gewisse Dinge und Gepflogenheiten aus der Vergangenheit zu vermissen.
Mein Großvater konnte beispielsweise Loriot auf den Tod nicht ausstehen. Zu sehr erinnerte ihn offenbar dessen Humor an seinen eigenen verkrampften Alltag. Für mich hingegen war Loriot eine ganz großartige Inspiration. Noch heute macht es mir riesigen Spaß, Menschen beim Leben zuzuschauen. Nichts finde ich amüsanter, als ein nebeneinander gereiftes Ehepaar beim Einkauf zu beobachten. Er schiebt den Einkaufswagen, sie entscheidet, was rein kommt. Legt der Gatte dann doch mal eigenständig eine Salami in den Wagen, hagelt es gleich anschließend Schelte: „Was willste denn damit? Da ist doch Fenchel drin. Den isste doch überhaupt nich! Da kriegste nur wieder Sodbrenn‘.“ Spricht’s, entfernt die Wurscht aus dem Wagen und legt sie ins Süßwarenregal, neben dem sie sich gerade befindet. Der Herr Gemahl sieht das Ganze wesentlich entspannter und hat auch direkt einen Lösungsvorschlag auf Lager: „Na und, denn nehm‘ wa eben noch’n Magenbitter mit.“ Doch auch da hat er nicht mit der Gemahlin gerechnet: „Soweit kommt’s noch! Als obsde nich schon genuch Alkohol konsumier’n würdest!“ schallt es im entgegen.
Derartige Szenerien haben mich in den vergangenen Jahren zu zahllosen Ideen für Radiospots verführt, die jede Menge nachhaltigen Erfolg garantierten.
Mittlerweile hat sich in den entsprechenden Etagen unserer Auftraggeber ein Generationenwandel vollzogen. Und auch die neu heranwachsenden Märkte – neudeutsch gemeinhin als Startups bezeichnet – sind zunehmend mit der „Generation Pampers“ besetzt. Den Namen dieser Windelmarke kann man getrost stellvertretend für Veränderungen in Marketing und Kommunikation setzen. Zwar hat sich die Werbebranche auch in der Vergangenheit intensiv mit Werbewirkungs- und Zielgruppenforschung auseinander gesetzt. Doch wurde speziell im Bereich der Kreation deutlich mehr mit einem gesunden „Bauchgefühl“ hantiert.
Lasst uns den Humor zurück holen!
Nicht selten hört man die Vokabel „pampern“ im Zusammenhang mit den sogenannten Millennials. Entlehnt ist dieser Begriff dem englischen pamper = verwöhnen. Gemeint sind damit jene Menschen, die rundum organisiert worden sind, bei denen (Helikopter-) Eltern alles richtig machen wollten. Nichts mehr wurde dem Zufall überlassen. Schon vor der Zeugung wurde der Lebenslauf des in Planung befindlichen Menschen minutiös durchorganisiert. In den folgenden 25 Jahren begann täglich aufs Neue der Ernst des Lebens. Jede noch so kleine menschliche Regung muss auf wissenschaftlich erprobter Ebene perfektioniert werden. Selbst Pullern und Kacken wird wissenschaftlich erforscht. Und entsprechend fachjournalistisch aufbereitet klingt dann auch die Werbung der Windelhersteller.
Erstaunlicherweise hat sich dieses „Leben nach Plan auf Basis wissenschaftlich erforschter Grundlage“ bis in die Werbung durchgesetzt. Das Ergebnis sind Kampagnen, die sich zwar an die eigene Generation richten, von dieser jedoch mit Verachtung per Adblocker ausgeblendet werden. Vehement widersetzen sich die Damen und Herren Millennial, ihre Werbebotschaften mit einer gesunden Portion Humor zu paaren. Stattdessen fordern sie Kreationen, die perfekt und analytisch kalkuliert in den Businessplan integriert werden können. Bleibt der Erfolg anschließend aus, wird nicht in Betracht gezogen, dass die eigene Vorgabe eventuell schadhaft gewesen ist. Vielmehr wird das Medium infrage gestellt und weggeworfen, wie ein langweilig gewordenes Spielzeug.
Früher war bestimmt nicht alles besser. Doch die Menschlichkeit und den Humor der Werbekampagnen vergangener Tage wünsche ich mir tatsächlich zurück. Und dafür gibt es einen ganz triftigen Grund: Wer uns zum Schmunzeln oder gar zum Lachen bringen kann, der erreicht unser Herz und unsere Zuneigung. Und zwar wesentlich schneller und sicherer, als die klinische Botschaft aus dem Labor.