Oder: Wie sich die Marken selbst ins Aus manövrieren
Seit einiger Zeit beklagen zahlreiche Experten, dass die großen Marken immer mehr an Bedeutung verlieren. Die Ursachen dafür werden häufig bei den Verbrauchern und deren verändertem Konsumverhalten gesucht. Doch auch bei diesem großen Thema stellt sich die berühmte Frage nach der Henne und dem Ei: Was war zuerst da?
Dass unter den Motorhauben verschiedener PKW-Fabrikate oftmals dieselben Aggregate ihren Dienst tun, ist bestimmt keine Neuigkeit. Schon in den 1950er Jahren war der Fiat 600 die Vorlage für den zwei Jahre später vorgestellten Seat 600. Heute sind es Volkswagen Up!, Seat Mii und Skoda Citigo, deren Erscheinungsbild an das Klonschaf Dolly und seine zahlreichen Geschwister erinnert. Waren es in der Vergangenheit vor allem die Hersteller der Volumenmodelle die Synergien suchten, um profitabel arbeiten zu können, sind es heute sogar die Premium Marken, die sich nicht scheuen, das Herz eines Renault unter die Haube eines Mercedes Benz zu transplantieren.
Uns Verbrauchern kann es durchaus recht sein – wenn Preis und Qualität stimmen. Aber in den letzten Monaten lässt sich verstärkt feststellen, dass auch die Werbung für die verschiedenen Marken immer mehr Authentizität einbüsst. Allein morgens zur Radio-Primetime kann es durchaus vorkommen, dass im selben Werbeblock Spots von Volvo, Mini und Audi zu hören sind. Nur wenn man sehr genau hinhört gelingt es herauszufinden, dass es um unterschiedliche Produkte geht.
Floskeln vom Fließband
Die Stilmittel, mit denen diese Spots hergestellt werden, scheinen sämtlich aus ein und derselben langweiligen Ideenkisten zu stammen. Fast alle Spots werden von sehr ähnlichen männlichen Stimmen gesprochen. Beinahe alle bedienen sich der Attribute Qualität, Leistung, Komfort und Sportlichkeit, gepaart mit einigen willkürlich abgegriffenen Emotionsfloskeln wie Freude und Zufriedenheit. Eigenständiges Wording oder klar abgegrenzte Identität? Fehlanzeige. Einzig in der Zielgruppenansprache gibt es noch spürbare Unterschiede: Während Kunden der Luxus- und Oberklasse eher ruhig und seriös angesprochen werden, nehmen sich die Hersteller der Massenware das Recht heraus, ihr Publikum regelrecht anzuschreien.
Besonders langweilig wird es spätestens in dem Augenblick, wenn es darum geht, die Inzahlungnahme von Altfahrzeugen zu kommunizieren. Seit rund 20 Jahren wird für diese Massnahmen immer wieder das alte Klischee der emanzipierten Frau aus der Klamottenkiste gekramt, die in übertriebener Manier zu verstehen gibt, dass sie sich von „ihrem Alten“ getrennt hat. Dies soll dann anscheinend den großen Hahaha-Effekt beim Publikum hervorrufen. In Wahrheit dürfte wohl eher ein müdes Gähnen die Folge sein.
Langeweile auch im TV
Nicht viel anders verhält es sich bei der Autowerbung im TV. Würden die Spots am Ende nicht durch Logo-Einblendungen unterstützt, dürfte es schwer fallen am Ende eines Werbeblocks mit Bestimmtheit sagen zu können, ob man nun einen Spot von Renault, Peugeot oder Nissan gesehen hat. Selbst bei Audi und BMW erkennt man nur noch einen Unterschied, wenn Ringe oder Nieren durchs Bild sausen. Die Machart der Spots scheint jedoch von der Gleichstellungsbeauftragten der Bundesregierung diktiert worden zu sein.
Wo sind die eindeutigen Identifikationsmerkmale? Wo bleibt der Mut zur Andersartigkeit? Wo ist die Kreativität geblieben?
Nach dem derzeitigen Stand kann es dem Konsumenten beinahe egal sein, welches Fabrikat als nächstes in der Auffahrt stehen wird. Der Käufer macht sich allenfalls noch Gedanken über die Farbe. Und kommen Sie uns jetzt bitte nicht mit kostenlosen Fussmatten und Warndreieck…