Wer ein Unternehmen gründen will, geht ganz einfach zum Gewerbeamt und beantragt einen Gewerbeschein. Das ist in der Regel eine Angelegenheit, die in weniger als einer halben Stunde erledigt ist. Da in so einem Gewerbeamt vorrangig Beamte tätig sind, wird dort auch nur genau das getan, wofür die jeweiligen Beamten zuständig sind: Formular ausfüllen, Stempel drunter, Gebühr kassieren, fertig. Weiterführende Informationen erhält man dort nicht. So mancher Unternehmer erlebt in den folgenden Monaten und Jahren üble Überraschungen und blaue Wunder.
Nach wenigen Wochen erhält der frisch gebackene Unternehmer Post von der IHK oder einer anderen zuständigen Kammer, die eher aussieht, wie eine freundliche Informationsschrift. Dass nach gut zwei Jahren die erste dicke Rechnung dieser Kammer ins Haus flattert, erfahren die meisten Jungunternehmer erst in exakt diesem Augenblick. Nicht selten wundern sich Selbständige, wer da plötzlich aus dem Nichts erscheint und die Hand aufhält.
So hat beispielsweise mein Onkel irgendwann eine gepfefferte Rechnung von der Berufsgenossenschaft Bergbau erhalten und musste seine drei Mitarbeiter nach kostspieligen Maßstäben von Bergleuten versichern, die Untertage arbeiten und extrem gefährdet sind. Mein Onkel jedoch betrieb nur ein kleines Unternehmen, das Erdbohrungen im Auftrag von Ingenieurbüros durchführte, die Baugrund auf seine Konsistenz untersuchen lassen. Die Tatsache, dass er in das Erdreich hinein bohrte, berechtigte die Berufsgenossenschaft, die teuren Versicherungsbeiträge zu erheben.
Mein Cousin ist Arzt. Vor einigen Jahren nahm er eine stolze sechsstellige Summe auf, um seine eigene Praxis einrichten und eröffnen zu können. Um das Wartezimmer für die Patienten angenehm zu gestalten, erwarb er von einem befreundeten Maler einige Gemälde – verbunden mit der guten Absicht, den Künstler zu fördern und zu unterstützen. Das dicke Ende kam einige Jahre später: Eine Überprüfung durch die Künstlersozialkasse (KSK) ergab, dass er die Gemälde erworben hatte, um sie einem – nach deren Definition – kommerziellen Zweck zuzuführen. Mehrere tausend Euro wurden fällig.
Die KSK ist ohnehin ein sehr interessantes Beispiel für die Kreativität von Beamten. Da die Kasse irgendwann einmal recht knapp bei Kasse war, hat man sich überlegt, wo sonst noch Geld zu holen ist. Und man ist schnell fündig geworden. Denn eigentlich kann man überall zulangen und somit die gesamte Gesellschaft in die Pflicht nehmen.
Beauftragt ein Versandhaus beispielsweise einen Fotografen mit einem Fotoshooting für die neue Bademodenkollektion, wird es richtig spannend: Der Fotograf führt einige Telefonate, brainstormt und hat die grandiose Idee, das Shooting in echter Sommerkulisse in Thailand vorzunehmen. Er bucht sechs Models, einen Make-Up-Artist, zwei Assistenten, für jeden ein Hin- und Rückflugticket, Hotelzimmer und lässt den hoteleigenen Strand für seine Fotosession reservieren. Da der Fotograf noch auf klassisches Fotomaterial setzt, kauft er jede Menge Film und lässt alles zusammen mit seiner Ausrüstung nach Thailand fliegen. Dort steht natürlich der obligatorische Miet-Van zur Verfügung. Wieder zurück in der Heimat wird ein Fotolabor genutzt und für die Präsentation der Fotos eigens ein Konferenzraum gemietet. Am Ende erhält das Versandhaus eine Rechnung des Fotografen, in der dieser sämtliche Positionen auflistet und zu einer sechsstelligen Summe addiert.
Das Versandhaus muss anschließend nicht etwa nur für die künstlerische Tätigkeit des Fotografen 5,2% KSK-Beiträge entrichten, sondern für sämtliche Positionen, die er in seiner Rechnung aufgeführt hat – also auch auf Hotelzimmer, Flugtickets etc. Hätte das Versandhaus die Organisation selbst in die Hand genommen und den Fotografen lediglich in seiner Eigenschaft als Fotograf beschäftigt, so wären auch nur für dessen Honorar KSK-Beiträge fällig geworden.
Ähnlich verhält es sich, wenn wir einen Radiospot produzieren. Jede „künstlerische“ Leistung ist KSK beitragspflichtig. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir einen Sprecher beauftragen, der gar nicht in Deutschland zu Hause ist und somit auch keinerlei Anspruch auf Leistungen aus der Künstlersozialversicherung hat, oder ob wir einen hier gemeldeten Sprecher engagieren. Nicht selten sind sogar die heimischen Sprecher bereits von der KSK abgelehnt worden, weil diese nach KSK-Definition keinen Anspruch auf Leistungen der Einrichtung haben.
In der Folge tragen jedoch sämtliche Konsumenten die Kosten für den Verwaltungsapparat KSK. Denn die Pflichtabgaben werden in jede Handelsspanne einbezogen.
Werbung ist also Kunst. Doch Vorsicht: Lässt ein Künstler auf seiner Website Werbung zu, kann es passieren, dass die KSK ihn rauswirft, da der Künstler Einnahmen über Werbung erzielt.
Versteht das noch einer?